Schifferverein "Neptun"
Am 2.Weihnachtfeiertag des Jahres 1922 trafen sich 30 meist jüngere Eberbacher Schiffer im Gasthaus "Brauerei Dechand" in der Krämergasse. Eingeladen hatte der Schiffer Karl Emig in der Absicht einen neuen Schifferverein, einen "Matrosenverein" wie er bereits in Neckarsteinach bestand zu gründen. Zunächst wurde ein Ausschuß gewählt, dem fünf Gründungsmitglieder angehörten:
Karl Emig, Gottlieb Held, Emil Raab, Eugen Raab, Wilhelm Seib.
Die bezeichnung "Matrosenverein" gefiel besonders denen nicht, die schon lange Schiffsführer waren. In geheimer Abstimmung einigte man sich schließlich auf den Namen: Verein für Schiffahrtstreibende "Neptun" in den folgenden Jahren vereinfacht Schifferverein "Neptun" genannt.
Die Gründungsversammlung wurde am 1.Januar 1923 im Lokal Held fortgesetzt. Am 24. März erfolgte dort auch die erste Vorstandswahl. Im laufe des Jahres wuchs die Mitgliederzahl von 36 auf 142. Der erste Beitrag wurde auf 20 Millionen Mark festgesetzt. Die arbeitslosen Schiffer deren Zahl immer größer wurde blieben beitragsfrei.
In den zwanziger Jahren herrschten in Deutschland verheerende Zustände. Die Inflation vernichtete das gesamte Volksvermögen. Die deutsche Schiffahrt kam durch den folgenden Streik praktisch zum Erliegen. Die ca. 500 Schiffahrtstreibenden in Eberbach hatten fast alle Zwangsurlaub und vermehrten dadurch die schon große Zahl der Arbeitslosen. Unter diesem Gesichtspunkt muß die
Gründung eines 2. Schiffervereins gesehen werden. Die meist jüngeren bei Reedereien beschäftigten Schiffer konnten und wollten der Schiffergenossenschaft die immer noch als Zunft tituliert wurde, und nach wie vor nur Meistersöhne aufnahm, oder sie sich einkaufen mussten nicht beitreten.
Der neue Verein war dagegen für alle Schiffer offen, gleichgültig ob arm oder reich, Schiffsführer oder Schiffsjunge. Das Ziel des Schiffervereins "Neptun", lag überwiegend auf gesellschaftlichem Gebiet. Die Pflege der Geselligkeit und Kameradschaft stand im Vordergrund. Das vorliegende Protokollbuch, beschreibt eingehend das Vereinsgeschehen, Jahr für Jahr. Da ist wiederholt von Schifferbällen mit der Feuerwehrskapelle, von Maskenbällen, Mast-und Fahnenweihen die Rede, von Ausflügen und ausgiebigen Wanderungen, wobei die leibliche Stärkung in den am Wege liegenden Landgasthöfe nicht zu kurz kommen durfte.
Die Eberbacher Jugend zog es damals immer noch "aufs Wasser". Fast die hälfte der schulentlassenen Buben gingen noch in den dreißiger Jahren "aufs Schiff". Um 1935 zählte man in Eberbach einschließlich der Rentner noch um die 700 Schiffige.
Emil Raab, der dem Verein 30 Jahre lang als Schriftführer zur Verfügung stand beendete 1952 sein ausführliches Abschlußprotokoll mit dem Spruch:
"Nur nicht verzagt bei Sturm und Wetter.
Gott Neptun war immer unser Retter".
Der Zusammenschluß
Das Zusammengehen beider Schiffervereine zeichnete sich nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Wiederaufnahme des
Vereingeschehens schon bald ab.
Die Mitgliederzahlen waren geschrumpt. "Neptun" zählte nur noch 47 und die "Genossenschaft" 68 Mitglieder. Auch die Vereinsvermögen waren zusammengeschmolzen. Bei Durchsicht der Mitgliederlisten stellte sich heraus, daß viele Schiffer schon früh bei beiden Vereinen ihre Beiträge bezahlten.
Bei der Generalversammlung der Genossenschaft 1949 gab der geschichtsbewuste Zunftschreiber Hauck folgendes zu Protokoll:
Durch eine Abschrift aus dem General-Landes-Archiv Karlsruhe wurde festgestellt, daß die Genossenschaft 1350 als Schiffsbruderschaft gebildet
wurde. Im folgenden Jahr wurde vermerkt, daß die Schifferzunft 1351 gegründet wurde, folglich jetzt 600 Jahre alt sei. Deshalb wurde beantragt, in Verbindung mit dem
Schifferverein Neptun eine gemeinsame Feier durchzu-führen.
Beim 600. Jahrtag wurde eine Kommision zur Vorbereitung der Feier und der Errichtung eines Schiffermastes gebildet. Eile war geboten, die Sitzungen lösten einander
ab. Zunächst aber stellten die Vorsitzenden beider Vereine übereinstimmend fest, daß für beide geplanten Ereignisse kein Geld vorhanden sei.
Die Stadt mit dem damaligen Bürgermeister Curt Nenninger und dem Ratsschreiber Schieck wurde um Hilfe gebeten. Beide Männer unterstützten die Schiffer tatkräftig.
Bereits am 25. Juni konnte mit dem Ausschachten des Mastsockels begonnen werden.
Die 600-Jahrfeier der Schifferzunft, verbunden mit der Mastweihe am 9. September 1951, wurde Zeitgleich mit dem traditionellen"Kukucksmarkt" abgehalten.
Die Feierlichkeiten wurden ein großer Erfolg und übertrafen alle Erwartungen.
Zum Gelingen dieses Festes trugen die Mitglieder beider Vereine gemeinsam bei.
Bei der Generalversammlung 1952 wurde der Zusammenschluß entgültig beschlossen und besiegelt. Nach langer Disskusion einigte man sich auf den neuen
Vereinsnamen:
"Schifferverein 1351 Eberbach e.V."
Bis zum Eintrag in das Vereinsregister 1955 behielt er jedoch noch den Namen "Schiffergenossenschaft e.V. Eberbach".
Der Mitgliederstand kletterte rasch auf 200 Personen, darunter erfreulicherweise viele junge Schiffer. Das gesellige und kameradschaftliche Wirken, wie es bei
"Neptun" im Vordergrund stand, wurde von der neuen Vereinsführung übernommen, ohne das dadurch die Pflege der langen Tradition der alten Zunft in den Hintergrund trat. Im Protokollbuch ist weiter
zu lesen:
Ab 1956 bemühte sich der Vorstand lange und intensiv um die Wiedereinrichtung einer Schifferschule in Eberbach. Freilich ohne Erfolg. Am 3. Juli besuchte eine
Abordnung den allerersten Schiffertag in Nierstein am Rhein. Der Verein beschloß, dem Schiffertag beizutreten und die jährlichen Versammlungen zu besuchen oder selbst auzurichten. Der
Schiffermast wurde überholt und bei dieser Gelegenheit um drei Meter verlängert. Bei besonderen Anlässen wurde der Mast nach einem festgelegten Plan "über
alle Toppen" geflaggt.
Von 1956-1968 wurden die Weihnachtsfeiern im großen Saal der Stadthalle zusammen mit dem "Turnverein Eberbach 1846 e.V." durchgeführt.
1957/58 wurde der Mast umzäunt und eine geschnitzte Holztafel, gefertigt von Küfermeister Fritz Helm, angebracht.
!959, der Verein nahm an den Feierlichkeiten bei der Einweihung der zweiten Schleusenkammer der Staustufe Rockenau teil. Zwei Motorschiffe von Vereinsmitgliedern
fuhren als erste in die neue Kammer ein.
1963, der Verkehrsverein Eberbach veranstaltete anläßlich des Kuckuksmarktes eine Ausstellung "Fischer und Schiffer am Neckar"
Ein Ausschuß der Schiffer unter Vorsitz des Ehrenmitgliedes Wilhelm Raab, einem Hobby-Schiffahrts-Historiker und ehemaliger Schiffer, trug zum großen Erfolg dieser Ausstellung bei, die von mehr als 10 000 Personen besucht wurde.
Am 9. Mai 1971 wurde der erste Schiffertag in Eberbach abgehalten.
1972 der alte Schiffermast wird "hinfällig". Die Stadt stellt unentgeldlich zwei große Lärchenbäume zur Verfügung. Der Verein holte die Bäume und "versenkte" sie
erstmal in der Itter. Dort wurden sie drei Jahre lang gewässert.
Bei Baggerarbeiten wurde in Heidelberg ein großer Findling aus dem Neckar geborgen. Mit einem Schiff der Fa. Krieger Neckarsteinach wurde er ans Eberbacher Lauer
gebracht, um dort als Gedenkstein bei der Mastanlage aufgestellt zu werden. Die Kosten von 800 DM übernahm die Fa. Heinrich und Karl Müßig Tankschiffahrt.
1974 durch Vermittlung von Franz Röth, Schiffsinspektor bei der Fa. Fendel Rheinschiffahrt, stiftete diese Reederei den Mastkocher und eine Mastwinde die von
GMS "Jupiter" stammten sowie einen 1000 kg. schweren Stockanker für die Mastanlage.
1975 wurde der neue Mast durch den Zimmermeister Hanns Banspach in Zusammenarbeit mit Schmiedemeister Heinrich Reinig gefertigt. Der alte Mast wurde abgebaut, der
neue am 22. November aufgerichtet und von den älteren Mitglieder getakelt.
1976, die umfangreichen Vorbereitungen zur 625-Jahr-Feier liefen auf Hochturen. Der Schriftführer Theodor Neuer fertigte eine 72-seitige Festschrift die in einer Auflage von 1500 Stück herausgegeben wurde.
Zu den Feierlichkeiten erschienen 27 Gastvereine mit ihren Fahnen. Insgesamt großer Erfolg für den Verein und viel Lob für die eifrigen Schiffer.
1977, Bau des Modell des "Glockenschiffes" aus dem Holz des alten Schiffermastes durch Heinrich Schuppert. Aktive Mitwirkung bei der 750-Jahrfeier der Stadt am Festumzug und Altstadttreiben.
1978, erste Diskussionen über die Aufnahme von Schifferfrauen in den Verein.
1980, dem Eberbacher Altersheim "Dr.Schmeißer-Stift", wurde vom Verein ein zinsfreies Darlehen von 2000 DM bewilligt und 1989 in eine Schenkung
umgewandelt.
1981, eine mehrere Meter lange Schlepperkette aus dem Bestand des ehemaligen Schriftführers Theodor Neuer wird der Stadt als historische Dekoration des
Fischerbrunnens am Pulverturm übereignet.
1983, eine neue Vereinsfahne wurde von den beiden Schifferseelsorgern aus Mannheim, Monsignore Weinmann (Sohn eines Eberbacher
Schiffers auf dem Schiff geboren) und dem evangelischen Schifferpfarrer Jung in Anwesenheit von Gastvereinen feierlich eingeweiht. Die Festansprache hielt Bürgermeister Schlesinger.
1983, bei der Gründung und Einrichtung des städtischen Museums am Alten Markt wirkten Mitglieder des Vereins besonders engagiert mit. Es entstand eine separate
Abteilung für Schiffahrt, Fischerei und Schiffbau, die in den Folgejahren systematisch vervollständigt wurde.
1984, anläßlich des Eberbacher Frühlingsfestes legte der Nachbau eines historischen Donauschiffes die "Ulmer Schachtel" am Neckarlauer an und wurde vom
Vereinsvorstand gebührend begrüßt.
1985, der Verein besichtigte verschiedene Schleusenbaustellen an dem entstehenden "Main-Donau-Kanal" unter Führung örtlicher Bauleiter. Anschließende Bootsfahrt ab
Kehlheim durch den Donaudurchbruch zum Kloster Weltenburg.
1988, Bürgermeister Schlesinger überreichte am Jahrtag den 14 Eberbacher Partikulierschiffer je eine Stadtflagge.
1989, eine von Heinrich Walz gestiftete dreiflügelige Schiffsschraube und ein großer Klippanker wurden mit Zustimmung der Stadt an der Mastanlage aufgestellt.
Friedrich Raab stiftete dazu ein Steuerrad.
1990, Schiffer-und Museumsverein vereinbaren gegenseitige Mitgliedschaft. Der Schifferverein beteiligte sich aktiv an den Vorbereitungen für die geplante
Sonderausstellung im Sommer 1992 "Eberbacher und der Neckar". Die drei Modellbauer des Vereins Hubert Janitschke, Franz Röth und Allfred Zimmermann sind mit der Herstellung noch fehlender
Exponate voll beschäftigt.
Mit über 16 000 Besuchern wurde ein absoluter Rekord erreicht.
1993, bei der Abhaltung des Schifferjahrtages wurde vom Vorstand angeregt, die bei den beiden Ausstellungen gesammelten
historischen Zeitdokumente zu vervollständigen und diesbezüglich in den umfangreichen Materialen im Stadtarchiv Nachforschungen anzustellen. Ziel sollte es sein, die Geschichte und den Ursprung
des Vereins von 1351 in einer Jubiläumschrift anläßlich der 650-Jahrfeier im Jahr 2001 darzustellen und zu dokumentieren. Von Mai bis Oktober fand der 2. Teil der Sonderausstellung "Eberbach
und der Neckar" statt. Diesmal mit Schwerpunkt geologische und biologische Grundlagen, Hochwasser, Eisgang sowie Kunstbauten am Fluss im Mittelpunkt.
1993, im Dezember. Schlimmstes Hochwasser dieses Jahrhunderts in Eberbach mit einem Höchststand von 9,45 m.
1994, der Verein beteiligte sich an der festlichen Einweihung des Schiffermastes am Ortseingang von Rockenau und am Vereinslokal "Grüner Baum". Dazu wurden von Vereinsmitgliedern Anker, Schiffsschrauben, Steuerrad und ein Beiboot beschafft und als Dauerleihgabe gespendet.
1998, Schiffer-und Museumsverein beteiligen sich an einer großen Schiffahrtsausstellung in der Partnerstadt Thonon les Bains am
Genfer See.
2000, erster Schiffertag im neuen Jahrhundert und Jahrtausend wurde am 20. Mai unter Teilnahme von 13 Gastvereinen abgehalten. Zum Jubiläum 2001 wurde die Jahresmünze der Stadt Eberbach mit den Insignien der Schiffahrt von Fritz Kappes entworfen, dem Sproß einer alt eingesessenen Schifferfamilie.
2001, zum 650-Jährigen Jubiläum wurde vom Schifferverein Eberbach 1351 e.V. ein 816-seitiges Buch herausgegeben mit dem Titel
"Eberbach am Neckar 650 Jahre Schiffahrt"
die Autoren waren Heinrich Walz und Kurt Werner mit Unterstützung von Fritz
Kappes.
Aus diesem Werk wurden auch die Daten für die aufgeführte Chronik des Verreins entnommen.
Am 01.01.2013 wurde der Schifferverein durch eine Schule zum Erwerb von Sportbootführerscheine, Funkscheine usw. erweitert.
Unter Leitung von Mitglied Helen Jung.
Am 12. August bei einer wiederkehrenden Renovierung (schleifen und streichen) des mittlerweile 38-jährigen Schiffermastes wurden
erhebliche Schäden ( Fäulnis) an Rah und Gaffel festgestellt.
Eine teilweise Erneuerung von Rah und Gaffel in braun-eloxiertem
Aluminium wurde wieder verworfen.
Mit Billigung der Mitglieder wurde vom Vorstand der Auftrag zur Fertigung eines neuen Mastes aus feuerverzinkten Stahl vergeben.
Den Zuschlag erhielt nach mehreren Änderungen und Verhandlungen am 12.05.2017 die Firma Stein Metallbau in Hirschhorn.
Nach Beginn der Fertigungsarbeiten wurde schweren Herzens das inzwischen 42-Jährige Wahrzeichen des Vereins der hölzerne Schiffermast abgetakelt und entsorgt.
Am 7.November 2017 war es dann soweit.
Der neue verzinkte Stahlmast wurde in aller Früh angeliefert.
Am 10. wurde er von der Fa. Stein montiert und von den älteren Mitglieder aufgestellt und getakelt.
Im Frühjahr 2018 rechtzeitig vor dem Einweihungsfest bekam er noch sein Festtagskleid.
Bei strahlendem Sonnenschein wurde er dann mit zahlreichen geladenen Gästen, wie befreundete Schiffervereine aus nah und fern, Bürgermeister der Stadt Eberbach, Vertretern von Schifffahrtsbehörden, Mitgliedern des Vereins und vielen Zuschauern durch einen kurzen ökumenischen Gottesdienst eingeweiht.